Deutschland will Energiereserven ausbauen
Berlin (energate) – Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine will die Bundesregierung die Krisenvorsorge im Energiebereich stärken. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kündigte den Aufbau einer nationalen Gas- und Kohlereserve an. Aktuell bestehe aber noch kein Problem bei der Versorgungssicherheit, betonte Habeck.
“Wir werden alles tun, um die Energieversorgung abzusichern”, erklärte der Wirtschaftsminister in Berlin. Hauptziel ist es dabei, die Abhängigkeiten von Gas, Öl und Steinkohle aus Russland zu reduzieren. Selbst auf Energielieferungen aus Russland verzichten will die Bundesregierung derzeit offenbar nicht. Neu ist dabei, dass das Bundeswirtschaftsministerium eine nationale Kohlereserve einrichten will. Aktuell kommt 50 Prozent der eingesetzten Kohle aus Russland. Gemeinsam mit den Kraftwerksbetreibern und der Bundesnetzagentur setzt die Bundesregierung nun einen Prozess auf, um Beschaffung und Reservebildung bei der Kohle voranzubringen, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Ein erstes Treffen hat nach energate-Informationen bereits am Donnerstag mit den Kraftwerksbetreibern stattgefunden.
Die Energiebranche begrüßte Habecks Vorgehen. “Es ist gut, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Versorgung der Steinkohle-Kraftwerke in Deutschland in den Fokus genommen hat”, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, auf energate-Anfrage. “Wir stehen in engem Austausch mit dem Ministerium und den Betreibern der Kraftwerke: Aktuelle Steinkohle-Vorräte und alternative Beschaffungsoptionen werden derzeit geprüft.”
Verpflichtende Gasspeicherung
Beim Thema Erdöl, das zu 35 Prozent aus Russland kommt, sieht Habeck keinen Handlungsbedarf. Die bestehende Reserve reiche für 90 Tage, sie umfasst 15 Mio. Tonnen Rohöl und 9,5 Mio. Tonnen Mineralölerzeugnisse – gelagert vor allem in Kavernenspeichern in Niedersachsen. Klar ist, dass die Eskalation in der Ukraine die Pläne für eine Gasbevorratung beschleunigt. Habeck verwies auf den niedrigen Speicherstand zum Winter und die Tatsache, dass Gazprom zuletzt nur noch seine Langfristverträge erfüllt habe – aber trotz hoher Preise keine kurzfristigen Vermarktungen mehr durchgeführt hat. Kurzfristig hat das Ministerium darauf mit Ausschreibungen (Long-Term Options) reagiert. Habeck will die Speicherbetreiber aber gesetzlich auf bestimmte Füllstände zum Winter verpflichten (energate berichtete). Das entsprechende Gesetz werde “kurzfristig” in die Ressortabstimmung gehen und per Eilverfahren durch den Bundestag.
LNG-Terminals erst 2026
Habeck unterstrich zudem, dass er den Bau von LNG-Terminals fördern will. Welche finanzielle Unterstützung hierfür erforderlich ist, sei zu prüfen, heißt es aus dem Ministerium. Schnell wird diese Infrastruktur allerdings nicht zur Verfügung stehen. Die Projektgesellschaft des geplanten Terminals in Stade, die Hanseatic Energy Hub, machte am 24. Februar deutlich, dass mit einer Inbetriebnahme frühestens 2026 zu rechnen ist (energate berichtete). Anders als in Schleswig-Holstein, wo die mitregierenden Grünen den Bau von LNG-Terminals ablehnen, steht Niedersachsen hinter den Plänen. Er betrachte den Einsatz von LNG-Terminals als Fortschritt, “sowohl in der Frage der Diversifizierung des Imports als auch in der Frage der Zukunftsfähigkeit des Ausbaus von Infrastruktur”, sagte Landesenergieminister Olaf Lies (SPD) am Donnerstag.
VDMA für Sanktionen
Nach dem Beginn des russischen Angriffes auf die Ukraine hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bereits umfangreiche Sanktionen gegen das Land angekündigt. “Ziel ist es, Russland klarzumachen, dass es einen bitteren Preis zahlen wird”, so Scholz. Die genauen Maßnahmen sollten auf einem EU-Gipfel am Abend des 24. Februar verkündet werden. Nach Angaben von EU-Kommissarin Ursula von der Leyen sollen russische Vermögenswerte eingefroren werden. Russland soll zudem der Zugang zu Schlüsseltechnologien verwehrt werden, dies könnte auch Technologie für die Öl- und Gasindustrie einschließen. Bundeswirtschaftsminister Habeck betonte, er sei sich darüber im Klaren, dass Sanktionen auch Folgen für die deutsche Wirtschaft haben werde. Von dort kommt Zustimmung. Der Maschinenbauverband VDMA erklärte, er unterstütze die Entscheidung, die russische Aggression hart zu sanktionieren.
Habeck will Versorgungssicherheitsbericht neu schreiben
Inwiefern der Energiebereich betroffen sein wird, ist offen. Zuletzt hatte das Bundeswirtschaftsministerium auf Anweisung von Scholz das Zertifizierungsverfahren für die russische Pipeline Nord Stream 2 gestoppt (energate berichtete). Die USA setzten am 23. Februar die Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG sowie deren Vorstandschef Matthias Warnig auf die Sanktionsliste. Damit setzte die Administration eine Ausnahme des US-Präsidenten außer Kraft, die er im vergangenen Jahr auf Bitten Deutschlands erlassen hatte (energate berichtete). Habeck kündigte an, dass sein Ministerium den für das Genehmigungsverfahren notwendigen Versorgungssicherheitsbericht vor dem Hintergrund der aktuellen Lage neu schreiben werde./kw
Bildquelle: ONTRAS