Energiepreise werden zum Politikum
Berlin (energate) – Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erwartet für das kommende Jahr ein deutlich sinkende EEG-Umlage. Der Druck auf die kommende Bundesregierung, angesichts steigender Strom- und Gaspreise zu handeln, steigt dennoch. Altmaier hatte kürzlich in einem Interview betont, er rechne damit, dass die EEG-Umlage im kommenden Jahr um rund ein Drittel niedriger ausfallen könnte. Das wären 4,3 Ct/kWh statt aktuell 6,5 Cent. Eine Ministeriumssprecherin bestätigte gegenüber energate, ihr Haus sei “sehr optimistisch”, dass diese Prognose eintrete. Sie verwies auf die beschlossene Deckelung der EEG-Umlage über den Bundeshaushalt sowie das gut gefüllte EEG-Konto. Tatsächlich weist dieses für August wegen der gestiegenen Vermarktungserlöse für Erneuerbare ein Plus von 4,73 Mrd. Euro auf. Zum Vergleich: Im Vorjahr war das EEG-Konto mit 2,8 Mrd. Euro im Minus. Der Stand der EEG-Kontos fließt in die Berechnung der EEG-Umlage ein.
Der Think Tank Agora Energiewende hält sogar noch ein stärkeres Absinken der EEG-Umlage im kommenden Jahr für möglich. Demnach könnte die Umlage um 40 Prozent auf 3,9 Cent/kWh sinken, heißt es mit Verweis auf eigene Berechnungen. Auch Agora verweist auf den geringeren Vergütungsbedarf für Erneuerbare. Aktuell liegt der Strompreis mehr als doppelt so hoch wie bei der Umlage-Prognose für 2021 angenommen. Agora Energiewende geht davon aus, dass die im Konjunkturprogramm vorgesehen Milliarden zur Deckelung der EEG-Umlage auf 6 Cent/kWh gar nicht abgerufen werden müssen, da die Umlage sowieso unter diesen Wert sinkt.
Allerdings: Die aktuell hohen Börsenstrompreise erhöhen die Beschaffungspreise für Vertriebe und landen damit auch beim Endkunden. Ob die sinkende EEG-Umlage dies ausgleicht, ist offen. Aus Sicht von Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW, steht die Politik unter Druck, auf die steigenden Strom- und Gaspreise zu reagieren. “Gleichzeitig sollten die Klimabemühungen und die nächste Stufe des CO2-Preises nicht torpediert werden”, sagte er zu energate. Er schlägt vor, die Situation mit hohen Börsenstrompreisen und vollem EEG-Konto zu nutzen, um die ohnehin parteiübergreifend geforderte Abschaffung der EEG-Umlage auf 2022 vorzuziehen. “Das wäre aus Verbrauchersicht begrüßenswert und würde den notwendigen Umbau des Energiesystems Richtung Elektrifizierung beschleunigen”, betonte Sieverding. Auch Thorsten Lenck, Energieexperte bei Agora Energiewende, fordert, die EEG-Umlage spätestens 2023 auf null zu senken, unter anderem mit zusätzlichen Mitteln aus einer Erhöhung der CO2-Bepreisung für Benzin, Erdgas und Heizöl. Auf diese Weise könnte der Anstieg der Börsenstrompreise deutlich abgemildert werden.
VIK erwartet weiter steigende Preise
Besorgt zeigt sich der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK). Hauptgeschäftsführer Christian Seyfert rechnet damit, dass sich die gegenwärtige Situation nicht signifikant ändert und steigende Preise wahrscheinlich sind. “Das betrifft sowohl Strom als auch Gas”, sagte Seyfert zu energate. Eine langfristige Preisabsicherung, etwa über PPAs könne helfen, die Abhängigkeit von CO2- und Brennstoffpreisen reduzieren. “Der Politik ist zu raten, dass Maßnahmen vermieden werden, die die angespannte Situation kurzfristig weiter verschärfen würden”, so Seyfert. Notwendig sei aber eine Entlastung beim Strompreis durch Senkung von Steuern und Abgaben, “verbunden mit einer glaubwürdigen Perspektive für die politische Flankierung der industriellen Transformation”, so Seyfert.
Thema für Koalitionsverhandlungen
Dass das Thema Energiepreise in den Koalitionsverhandlungen nach der Bundeswahl ein Thema wird, ist wahrscheinlich, sollte die Entwicklung so weitergehen. In Spanien sind die hohen Strompreise längst ein Politikum. Die Preise haben sich dort sei Ende 2020 verdreifacht. Nun drängt die Regierung in Madrid darauf, dass die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit gibt, auf die Situation zu reagieren, ohne die Binnenmarktregeln zu verletzen.
Bildquelle: European Energy Exchange AG