EU-Kommission veröffentlicht Maßnahmenvorschläge gegen Energiepreiskrise

Brüssel (energate) – Die EU-Kommission hat ihren angekündigten Werkzeugkasten (“Toolbox”) zur Eindämmung der Energiepreiskrise in der EU vorgestellt. Er enthält kurzfristige Maßnahmen, die die EU-Länder sofort ergreifen können, ohne das Funktionieren des Energiebinnenmarkts zu beeinträchtigen. Weiterhin gibt es mittelfristige Maßnahmen auf EU-Ebene, die aber noch ausgearbeitet werden müssen. Die Staats- und Regierungschefs werden sich am 21. und 22. Oktober in Brüssel mit den Vorschlägen der EU-Kommission befassen. “Die Kommission steht den Mitgliedstaaten bei der Ergreifung von Sofortmaßnahmen zur Seite, um die Auswirkungen auf Haushalte und Unternehmen diesen Winter einzudämmen”, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson bei der Präsentation der Toolbox. “Zugleich ermitteln wir weitere mittelfristige Maßnahmen, um sicherzustellen, dass unser Energiesystem resilienter und flexibler wird.”

Zu den Sofortmaßnahmen, die die EU-Länder ergreifen können, zählt die Senkung der Mehrwert- und der Energieverbrauchsteuern. Empfohlen hat die EU-Kommission den EU-Regierungen, die Gas- und Stromabschaltung bei Nichtzahlung zu untersagen sowie einen Versorger letzter Instanz festzulegen, der einspringt, wenn andere Versorger nicht liefern können. Vor allem drängt die EU-Kommission die Regierungen, ihre Erlöse aus der Versteigerung von CO2-Zertifikaten für Zuwendungen an bedürftige Privathaushalte oder kleine und mittlere Unternehmen zu verwenden, die zur Produktion viel Energie benötigen. Immerhin hätten die Regierungen in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres 10,8 Mrd. Euro im Emissionshandel mehr erlöst als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

CO2-Märkte sollen stärker beaufsichtigt werden

Sechs EU-Regierungen haben bereits Maßnahmen beschlossen, 14 solche angekündigt. Frankreich etwa führt eine Tarifbremse für Gas und Strom ein, reguliert seinen Gasmarkt strenger und zahlt ärmeren Haushalten 100 Euro. Belgien gewährt sozial bedürftigen Haushalten im laufenden Winterquartal einen einmaligen “Winterrabatt” in Höhe von 80 Euro und verlängert den Sozialtarif, auf den 1 Mio. Haushalte Anspruch haben, bis zum 1. April 2022. Italien will 3 Mrd. Euro ausgeben, um Haushalten einen Teil ihrer Strom- und Gasrechnungen zu erlassen. Ob die Maßnahmen im Einklang mit den Energiebinnenmarktvorschriften stehen, müsse noch untersucht werden, heißt es vonseiten der EU-Kommission.

Verstärkt werden soll auch die Aufsicht der CO2-Märkte durch die Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA). Damit will die Kommission Länder wie Spanien, Polen und Ungarn beruhigen, die dort manipulative Spekulationen vermuten. Eine Analyse habe jedoch ergeben, so die EU-Kommission, dass die hohen Strompreise zum überwiegenden Teil mit den hohen Gaspreisen zusammenhingen und nur zu einem kleinen Teil mit den CO2-Preisen.

Überarbeitung der Gas-SOS-Verordnung

Als mittelfristige Maßnahme ist eine Überarbeitung der Gasversorgungssicherheits-Verordnung aus dem Jahre 2017 angedacht. Deren Revision soll im Dezember zusammen mit dem Dekarbonisierungspaket des Erdgasmarktes vorgestellt werden. Simson erwähnte unter anderem den zentralen Gaseinkauf auf freiwilliger Basis und die Einführung einer strategischen Gasreserve nach dem Vorbild des Ölmarktes. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht die Einführung einer strategischen Gasspeicherreserve allerdings kritisch. “Diese würde zwangsläufig Liquidität vom Markt nehmen und dadurch selbst preistreibend wirken”, sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae. “Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit bestehen mit der geltenden Gasversorgungssicherheits-Verordnung ausreichende europäische Regelungen, die möglichst wenig in den offenen, liquiden, gut verbundenen und transparenten EU-Gasmarkt eingreifen.”

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßt die Vorschläge der EU-Kommission zum Umgang mit den aktuell hohen Energiepreisen und macht zwei Vorschläge für die Umsetzung in Deutschland. “Im ersten Schritt sind schnelle Maßnahmen zur Preisentlastung entscheidend: durch eine deutliche Absenkung der EEG-Umlage und Unterstützung einkommensschwacher Haushalte durch staatliche Hilfen, beispielsweise über Heizkosten-Zuschüsse”, sagte VKU-Chef Ingbert Liebing. Damit die Energieversorgung auch in Zukunft bezahlbar bleibe, schlage der VKU in einem zweiten Schritt eine grundlegende Reform der Entgelte- und Umlagesystematik im Energiesektor vor.

14.10.2021
Energiemarkt