Europa sucht weiter gemeinsame Antworten auf Energiekrise
Luxemburg (energate) – Die Energieminister der EU-Staaten haben auf ihrem Sondergipfel zu den steigenden Energiepreisen keine Einigung erzielt. Einige EU-Länder fordern Markteingriffe. Damit gab es keine wesentliche Änderung zum EU-Gipfel vom 21. und 22. Oktober, auf dem die EU-Staats- und Regierungschefs das Thema an die 27 EU-Energieminister verwiesen hatten (energate berichtete). Unstrittig waren lediglich die von der EU-Kommission vorgeschlagenen kurzfristigen Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten zur Eindämmung der Krise bei sich ergreifen können, ohne dass das Funktionieren des Energiebinnenmarkts zu beeinträchtigen. Davon haben bisher 19 Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht. Strittig blieb, was die EU mittelfristig gegen die Krise unternehmen soll.
“Wir brauchen eine Lösung, die von Fakten ausgeht”, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson beim Ministertreffen. “Wir können die Preisvolatilität nicht ignorieren”, so Simson, “wir müssen analysieren, was wir dagegen tun können“. Die EU-Energieagentur ACER werde die Funktionsweise des Strommarktes und die europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) die des Kohlenstoffmarktes untersuchen, obwohl die EU-Kommission keinerlei Hinweise auf Dysfunktionalitäten oder spekulative Marktmanipulation habe. Mit ersten Ergebnissen sei Mitte November, also vor dem nächsten Treffen der EU-Energieminister am 2. Dezember, zu rechnen.
Staatengruppe: Grüner Deal Lösung nicht Problem
Simsons Position unterstützten neun Mitgliedstaaten. Sie traten auf der Tagung mit einem gemeinsamen Positionspapier auf, in dem sie, wie die EU-Kommission, den Grünen Deal als Lösung und nicht als Problem der Energiepreiskrise sehen. Zu dieser Gruppe zählen Deutschland, Österreich, Dänemark, Finnland, Estland, Lettland, Irland, Luxemburg und die Niederlande. “Die EU-Kommission hat mit ihrer Toolbox, die gute Lösungsansätze beschreibt, einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Diskussion geleistet“, sagte Andreas Feicht, Energiestaatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, zum Auftakt des Treffens. Deutschland teile die Meinung der EU-Kommission zu den Ursachen für die aktuell hohen Preise.
Andere EU-Länder vermuten dagegen ein grundsätzliches Marktversagen und fordern außerordentliche Maßnahmen. So schlug etwa die spanische Energiestaatssekretärin Sara Aagesen Munoz vor, den Strom- vom Erdgaspreis zu entkoppeln, indem für ihn ein Referenzpreis ermittelt wird, der sich als Durchschnitt der eingesetzten Energiequellen errechnet. Ähnlich lautete die Forderung der französischen Ministerin Emmanuelle Wargon: “Die Endverbraucherpreise müssen die Kosten widerspiegeln.“ Der ungarische Energieminister Attila Steiner sah im CO2-Emissionshandelssystem die Ursache für die hohen Strompreise und forderte, es möglichst schnell so zu reformieren, dass die “CO2-Preise aufgrund hoher Gaspreise nicht mehr aus dem Ruder laufen”. Er ging so weit, das Fit-for-55-Paket auf der nächsten Tagung der Energieminister infrage zu stellen: “Wir dürfen die Bürger und Unternehmen nicht überfordern.”
BDEW lehnt Markteingriffe ab
Mögliche Maßnahmen wie eine Überarbeitung der Preisbildung am Strommarkt hatte der Energieverband BDEW vor dem Treffen der Minister kritisiert. “Grundsätzlich darf es keine unbedachten Markteingriffe im Lichte der aktuellen Entwicklung geben”, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Diese würde die Kosten der Energieversorgung in Europa erhöhen und vor allem auch das für die vielen Energiewendeprojekte dringend notwendige Vertrauen der Investoren untergraben.
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