Shell-Urteil könnte erst der Anfang sein

Berlin (energate) – Nachdem ein Gericht in den Niederlanden den Ölkonzern Shell zu höheren CO2-Reduktionen verurteilt hat, hoffen Klimaschützer auf eine Signalwirkung. Weitere Klimaklagen könnten Folgen. Die Umweltschutzorganisation BUND sprach nach der Entscheidung gegen den britisch-niederländischen Konzern von einem historischen Urteil. Zum ersten Mal in der Geschichte sei ein Konzern verpflichtet worden, seiner Verantwortung für die Klimakrise gerecht zu werden, hieß es.

Ein Bezirksgericht in Den Haag hatte am 26. Mai einer Klage von Greenpeace, einem Ableger von Friends of the Earth sowie rund 17.000 Bürgern stattgegeben. Demnach muss Shell seinen CO2-Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2019 senken. So sollen die Vorgaben des Klimaabkommens von Paris erfüllt werden. Im Urteil bestätigte die Richterin, dass Shell aufgrund des verursachten CO2-Ausstoßes für die Verschlechterung der Lebensbedingungen dieser und künftiger Generationen verantwortlich sei.

Shell selbst hat zwar eigene Klimaziele formuliert und plant, seine CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 auf null zu bringen (energate berichtete). Dem Gericht war dieses Vorhaben aber nicht konkret genug. Der Anwalt der Kläger, Roger Cox, rief nach dem Urteil dazu auf, weltweit gerichtlich gegen Konzerne vorzugehen. In Deutschland ist bereits eine Klage gegen den Energieversorger RWE anhängig. Ein peruanischer Bauer verlangt Schadensersatz von dem Unternehmen. Dieser sieht sein Grundstück durch eine mögliche Gletscherschmelze bedroht (energate berichtete).

Weitere Klagen möglich

Gestützt wird die Klage gegen RWE von der Organisation Germanwatch. Eine rechtliche Verbindung zu dem Urteil in den Niederlanden gebe es aufgrund der verschiedenen Rechtssysteme nicht, erklärte Klaus Milke, Mitgründer und Ehrenvorsitzender von Germanwatch gegenüber energate. Milke betreut die RWE-Klage bei der Organisation. Klar sei aber, wenn Unternehmen von einem Gericht verpflichtet werden können, ihre Emissionen unabhängig von direkten staatlichen Auflagen zu reduzieren, “dann ist es auch folgerichtig, dass ein Unternehmen wie RWE für die Folgen des Klimawandels anteilig einsteht”. Milke betonte zudem, dass die jüngste Verschärfung des Klimaschutzgesetzes in Deutschland weitere Klagen nach sich ziehen könnte, “auch gegen Unternehmen”.

Maurer: “Ineffiziente Variante” des Klimaschutzes

Dass der Klimaschutz durch eine Serie von Konzernklagen besser vorankommt, bezweifelt dagegen Christoph Maurer, Geschäftsführer des Energieberatungsunternehmens Consentec. “Die Idee, einen einzelnen Emittenten zu verpflichten, proportional Emissionen zu reduzieren, widerspricht der gewachsenen Erkenntnis, die CO2-Emissionen dort zu reduzieren, wo die Vermeidungskosten volkswirtschaftlich am niedrigsten sind, etwa über den CO2-Handel”, sagte er zu energate. Maurer sprach von einer “ineffizienten Variante” des Klimaschutzes. “Auch besteht die Gefahr von Ausweichbewegungen, dass also andere Unternehmen an die Stelle rücken, die Emissionen in anderen Teilen der Welt entstehen”, so Maurer.

Shell selbst sprach von einem “enttäuschenden Urteil” und kündigte Rechtsmittel gegen die Entscheidung an. Das Unternehmen werde weiter an seinem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, festhalten und in Wasserstoff, Elektromobilität oder Biokraftstoffe investieren, hieß es zudem.

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02.06.2021
Energiemarkt