Energiebeschaffung: 5 Methoden für Unternehmen
Philip Gutschke · zuletzt aktualisiert: 23. August 2024
Strom und Gas können auf unterschiedliche Weise eingekauft werden. Jede Methode der Energiebeschaffung bietet Vor- und Nachteile und eignet sich für unterschiedliche Unternehmensgrößen und Abnahmemengen. In diesem Ratgeber stellen wir Ihnen fünf verschiedene Strategien für den Energieeinkauf vor.
Kurz und knapp
Der Energieeinkauf umfasst die Beschaffung von Strom und Gas. Seit der Marktliberalisierung 1998 können alle Energieabnehmer ihren Lieferanten frei wählen.
Um die besten Preise zu erzielen, müssen die richtigen Informationen zur richtigen Zeit verfügbar sein, damit die richtigen Entscheidungen getroffen werden können.
Wer dazu nicht in der Lage ist, kann sich von einem Partner wie der Energie-Einkaufsgemeinschaft wattline unterstützen lassen.
Was bedeutet Energiebeschaffung?
Unter Energiebeschaffung versteht man den Prozess des Gas- und/ oder Stromeinkaufs. Dazu gehören:
die Beobachtung der Preisentwicklung auf dem Energiemarkt,
die Teilnahme an Ausschreibungen,
die Lieferantenauswahl sowie
die Vertragsverhandlungen.
Ziel ist es, Energie möglichst günstig auf dem Energiemarkt zu beschaffen. Obwohl dieser ein Wettbewerbsmarkt ist, der staatlich reguliert wird, gibt es je nach Beschaffungszeitraum, -zeitpunkt und -menge erhebliche Preisunterschiede.
Was hat Energieeinkauf mit der Strom- und Gasbörse zu tun?
Zunächst ist eine Börse im Allgemeinen ein organisierter Markt zur Zusammenführung von Angebot und Nachfrage für Handelsobjekte. Am bekanntesten sind wohl die Wertpapierbörsen, aber auch für Getreide, Gas, Strom und andere Handelsgüter wurden Börsen gegründet.
Die drei europäischen Energiebörsen
In der Europäischen Union gibt es drei verschiedene Börsen, an denen Energie gehandelt wird:
Am Spotmarkt für Strom, der EPEX (European Power Exchange) in Paris, wird Strom zu tagesaktuellen Preisen gehandelt.
An der EEX (European Energy Exchange) in Leipzig werden dagegen Termingeschäfte – längerfristige Energielieferverträge für Strom und Gas (Futures) – gehandelt.
Die THE (Trading Hub Europe) hat ihren Sitz in Ratingen und die Niederlassung in Berlin. Die Börse ist Marktgebietsverantwortliche im deutschen Gasmarkt und wurde am 1. Juni 2021 durch die Kooperation verschiedener Netzgesellschaften gegründet.
Unterschied zwischen Börsenhandel und OTC-Handel
Neben dem Börsenhandel gibt es den OTC-Handel (Over-the-Counter-Handel = "Über den Tresen-Handel"). Hier werden Waren direkt zwischen Anbietern und Käufern gehandelt. Teilweise sind Broker zwischengeschaltet. Sie vermitteln z. B. zwischen Energieversorgern und Verbrauchern.
Im Strom- und Gasmarkt versteht man unter OTC-Handel Ausschreibungen regionaler und überregionaler Energieversorger. Die ausgehandelten Preise sind im Gegensatz zu den Börsenpreisen nicht öffentlich einsehbar, orientieren sich aber an diesen, da – vereinfacht gesagt – die Energieversorger die angebotenen Energiemengen selbst wieder an der Börse beschaffen.
Wie beim Wertpapierhandel ist es auch bei der Energiebeschaffung wichtig, die aktuellen Einflüsse und Entwicklungen an den Energiebörsen und -märkten zu kennen, um vorteilhafte Preise und Laufzeiten aushandeln zu können.
Energieeinkauf für Unternehmen: den idealen Zeitpunkt & Zeitraum bestimmen
Beim Energieeinkauf spielen der Einkaufszeitpunkt und der Beschaffungszeitraum eine wichtige Rolle. Doch was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen?
“Heute schon an morgen denken.” So könnte man den Unterschied zwischen Einkaufszeitpunkt und Beschaffungszeitraum beschreiben.
Denn die Differenz liegt in der zeitlichen Abweichung. Der Einkaufszeitpunkt liegt in der Gegenwart und der Beschaffungszeitraum in der Zukunft. Strom und Gas werden immer im Voraus beschafft, der Energieeinkauf ist sogar bis zu sechs Jahre im Voraus möglich.
Für die Vertragslaufzeiten gibt es keine Richtwerte. Für den Energieeinkauf für Ihr Gewerbe sollten Sie sich an der erwarteten zukünftigen Preisentwicklung, d. h. an der Marktsituation orientieren. Das bedeutet, dass bei absehbaren zukünftigen Preissteigerungen langfristige Verträge sinnvoll sind. Umgekehrt sind bei absehbar sinkenden Preisen kurzfristige Verträge eine bessere Option.
Um die Entwicklung der Energiepreise mit hoher Treffsicherheit vorhersagen zu können und damit Energieeinkäufe zum richtigen Zeitpunkt zu tätigen, sind detaillierte Kenntnisse des Energiemarktes und eine ständige Beobachtung der wirtschaftlichen und geopolitischen Lage erforderlich.
Grundversorgung nur für Privatkunden
Die Grundversorgung in Deutschland stellt sicher, dass Privatkunden über den regionalen Grundversorger immer mit Gas und Strom beliefert werden. Das heißt, auch bei einer Kündigung durch den Energieversorger oder wenn der gewählte Strom- oder Gasanbieter Insolvenz anmelden muss, fließen Strom und Gas. Dies gilt auch für kleinere Unternehmen mit einem Verbrauch von bis zu 10.000 kWh. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Belieferung im Rahmen einer Grund- bzw. Ersatzversorgung.
Das Risiko dabei ist, dass der Preis für Strom oder Gas ggf. deutlich höher sein kann als beim bisherigen Anbieter. Damit gehen Planungssicherheit und mögliche Liquiditätsreserven verloren.
Auch die IHK warnt:
VORSICHT: In der Vergangenheit mussten immer wieder Energieversorger Insolvenz anmelden. Betroffene Kunden fallen in die Grundversorgung zurück und müssen dann höhere Preise zahlen.
Um dies zu vermeiden, sollten Gas- und Stromanbieter vor Vertragsabschluss auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Zur Beurteilung sind aktuelle und historische Geschäftszahlen aus Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen, Angaben zum Zahlungsverhalten von Wirtschaftsauskunfteien, der Bonitätsindex sowie die Gesellschafts- und Unternehmensstruktur hilfreiche Kriterien.
Anzeichen für einen soliden Energieversorger sind z. B.:
eine stabile und transparente Unternehmensstruktur
ein solider Bonitätsindex und gute Bilanzdaten, sowie die
aktive Teilnahme an Ausschreibungsrunden mit stets attraktiven Konditionen
5 Methoden zum Energieeinkauf für Unternehmen
Mit der Liberalisierung des Strommarktes 1998 und des Gasmarktes 2006 eröffneten sich neue Möglichkeiten der Energiebeschaffung. Seitdem können Privatpersonen und Unternehmen ihren Energieversorger in ganz Deutschland frei wählen. Preisvergleiche sind möglich und eröffnen Einsparpotenziale für Kunden.
Es haben sich fünf grundlegende Beschaffungsmethoden entwickelt:
Vollversorgung
Energie-Einkaufsgemeinschaft
strukturierte Beschaffung
Spotmarkt-Beschaffung
Portfoliomanagement
Neben diesen fünf Hauptformen gibt es verschiedene Misch- und Sonderformen, die wir Ihnen im Folgenden ebenfalls vorstellen.
Bei der Wahl der Strategie für den Energieeinkauf sollte ein Unternehmen den Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten des Unternehmens berücksichtigen. Darüber hinaus sollten der absolute Energieverbrauch, die Risikobereitschaft und die Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden.
Vor der Entscheidung für ein oder mehrere Beschaffungsmethoden ist es wichtig, die Chancen und Risiken des jeweiligen Modells abzuwägen.
Insbesondere Modelle mit hoher Marktbeteiligung bergen in unsicheren geopolitischen Situationen schwer kalkulierbare Risiken. Diese binden einerseits viel Zeit für deren Beobachtung und Bewertung und können andererseits zu enormen finanziellen Schwierigkeiten führen.
Für kleinere Unternehmen sind zu geringe Abnahmemengen, finanzielle Risiken und personelle Engpässe unüberwindbare Hürden, um aktiv in Energiepreisverhandlungen einzusteigen. Für diese "kleinen Fische" besteht die Möglichkeit, über unsere Energie-Einkaufsgemeinschaft Energie zu Großhandelspreisen einzukaufen.
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Die Vollversorgung: Der stabile Klassiker beim Energieeinkauf für Unternehmen
Die Vollversorgung wird auch als Fixpreis-Beschaffung oder Stichtagsbeschaffung bezeichnet und gilt als einfachste Form des Energieeinkaufs, bei der der gesamte Bedarf von nur einem Energieversorger gedeckt wird. Für KMU ist dies die gängigste Art der Energiebeschaffung, da kaum Marktkenntnisse oder personelle Ressourcen für die Energiebeschaffung erforderlich sind.
Bei diesem einfachen Beschaffungsmodell sichert sich der Kunde zu einem bestimmten Zeitpunkt die Energielieferung für einen vertraglich festgelegten Zeitraum zu einem fixen Preis (siehe Grafik). Der festgelegte Zeitpunkt ist der Stichtag. Als Zeitraum werden häufig ein bis drei Jahre festgelegt.
Der Fixpreis und das vom Energieversorger getragene Mengenrisiko ermöglichen einem Unternehmen ein Höchstmaß an Planungssicherheit. Der Aufwand für das Unternehmen beschränkt sich lediglich auf den periodischen Vertragsabschluss bzw. die Vertragsverlängerung mit dem Versorger.
Die Risiken des Energieeinkaufs
Bei der Beschaffung von Energie gibt es zwei Arten von Marktrisiken, die je nach Beschaffungsmethode vom Abnehmer oder vom Anbieter getragen werden:
Das Preisrisiko beschreibt die Möglichkeit, dass die Energiepreise innerhalb des festgelegten Lieferzeitraums stark schwanken können. Um dieses Risiko zu reduzieren, können Verträge auch auf Basis eines variablen Preises ausgehandelt werden.
Das Mengenrisiko stellt die Gefahr dar, dass der tatsächliche Energiebedarf vom prognostizierten Bedarf abweicht. Dies hat zur Folge, dass entweder Energie zugekauft werden muss oder weniger Energie benötigt wird als geplant. Häufig werden Toleranzmengen von +/- 10 % definiert, d. h. das Risiko des Versorgers beschränkt sich nur auf diese Schwankung. Dadurch verringert sich sein Marktpreisrisiko. Die Folgen einer Toleranzüberschreitung sind vertraglich geregelt: Übliche Klauseln sind u. a. Preisaufschläge auf gelieferte Mehrmengen oder Pönalen für Mindermengen.
Der festgelegte Energiepreis orientiert sich bei dieser Methode am aktuellen und erwarteten Börsenpreis. Die Herausforderung besteht also vor allem darin, den richtigen Zeitpunkt für den Vertragsabschluss zu wählen und die optimale Vertragslaufzeit zu bestimmen.
Steigt der Strompreis, ist es strategisch sinnvoll, einen Vertrag mit einer möglichst langen Laufzeit auszuhandeln. Sinken die Preise, sollte die Laufzeit so kurz wie möglich sein, um schnell einen Nachfolgevertrag mit günstigeren Preisen abschließen zu können.
Die Vor- und Nachteile der Energie-Beschaffung mit der Methode der Vollversorgung im Überblick:
Vorteile
Maximale Planungs- und Budgetsicherheit, da die Energie zu einem vertraglich fixierten Preis bezogen wird und der Versorger das Mengenrisiko trägt, erhalten KMU langfristige Preissicherheit auch in unsicheren geopolitischen Situationen.
Unabhängigkeit von zukünftigen Preisentwicklungen an den Märkten während der Vertragslaufzeit aufgrund des fixierten Preises.
Geringe Personalbindung beim Energieeinkauf für das Unternehmen, da Verträge für ein oder mehrere Jahre abgeschlossen werden können.
Fester Preis ab Vertragsabschluss – steigende Energiepreise sind während der Vertragslaufzeit irrelevant.
Nachteile
Einschätzung des richtigen Zeitpunkts für den Energieeinkauf erfordert konkrete Marktkenntnisse.
Vertrag kann nicht nachverhandelt werden, wenn der Börsenpreis während der Vertragslaufzeit sinkt.
Verkalkuliert sich der Lieferant bei der Festpreisfestsetzung zu seinen Ungunsten, droht dessen Zahlungsunfähigkeit und somit dessen Rückzug vom Markt. Alle belieferten Kunden fallen in die teurere Grundversorgung zurück.
Die Energie-Einkaufsgemeinschaft als Sonderform
In einer Energie-Einkaufsgemeinschaft erfolgt die mengenmäßige Bündelung des Energiebedarfs vieler einzelner Energieabnehmer (meist KMU). Dies schafft zum einen die Möglichkeit, gemeinsam als Großabnehmer am Markt auftreten und so auch von Mengenrabatten profitieren zu können. Zum anderen wird der Energieeinkauf von erfahrenen Mitarbeitern der Einkaufsgemeinschaft übernommen.
Sie nutzen dabei neben dem Instrument der Mengenbündelung auch die Ausschreibung und die Marktbeobachtung, um zum idealen Zeitpunkt Energieverträge mit optimaler Laufzeit abzuschließen. Das Ergebnis: Die Mitglieder einer Einkaufsgemeinschaft gewinnen ohne Aufwand an Planungs- und Versorgungssicherheit.
Gleichzeitig wird der Wettbewerb unter den Energieversorgern gefördert und damit das Ziel der Marktliberalisierung unterstützt, das zu besseren Preisen für Strom und Gas führt.
Neben den Ausschreibungen übernimmt eine Einkaufsgemeinschaft auch die Überwachung der Vertragslaufzeiten, sodass sichergestellt ist, dass teurere Folgeverträge durch automatische Verlängerungen vermieden werden und dennoch eine lückenlose Energieversorgung gewährleistet ist.
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Strukturierte Beschaffung
Die strukturierte Beschaffung unterscheidet sich von der Vollversorgung durch unterschiedliche Preismodelle und Vertragsklauseln. Diese bieten die Möglichkeit, den Energieeinkauf flexibler zu gestalten und die damit verbundenen Risiken zu reduzieren. Wesentliche und grundlegende Voraussetzung für das Konzept der strukturierten Beschaffung ist eine möglichst genaue Prognose des eigenen Energiebedarfs in der Zukunft.
Unternehmen, deren Energiebedarf unabhängig vom Nutzerverhalten entsteht, können eine möglichst genaue Prognose des eigenen Energiebedarfs erstellen. Beispiele hierfür sind:
Freizeiteinrichtungen wie Thermen, Eissporthallen oder Museen.
Unternehmen des Schienenverkehrs oder des produzierenden Gewerbes.
Bei Restaurants, Solarien oder Fitnessstudios hingegen hat die Anzahl der Besucher zum Teil erheblichen Einfluss auf den Energieverbrauch, was eine genaue Bedarfsprognose erschwert.
Im Rahmen der strukturierten Beschaffung sind folgende Modelle gängig: die Fahrplanlieferung, die Bandlieferung und das vertikale Tranchen-Modell, sowie die Restmengen- und Toleranzmengenbeschaffung:
Fahrplanlieferung
Die Fahrplanlieferung ist ein bewährtes Instrument der strukturierten Beschaffung. Sie eignet sich für die Energiebeschaffung bei gut prognostizierbaren Lastgängen. Denn diese unternehmensindividuellen Energiemengen können zu einem festen Preis beschafft werden.
Bei diesem Modell wird auf Basis des individuellen Lastgangs ein in Stunden, Tage und Monate unterteilter “Fahrplan” für die Energielieferung erstellt. Dieser Fahrplan dient der genauen Planung der zukünftig benötigten Energiemenge. Strom und Gas werden dann auf Basis dieses Fahrplans am Energiemarkt eingekauft.
Weicht die Planung vom tatsächlichen Bedarf ab, übernimmt der Abnehmer das Mengenrisiko. Dadurch kann der Lieferant bessere Preise anbieten als z. B. bei der Vollversorgung.
Toleranzgrenzen festlegen
Um sich vor hohen Zuschlägen bei Mehr- oder Minderverbrauch zu schützen, sollten Toleranzgrenzen vertraglich vereinbart werden. Andernfalls werden Abweichungen verbrauchsgenau zu Spotmarktpreisen abgerechnet.
Liegen die Abnahmemengen außerhalb der vereinbarten Toleranzbänder, wird der Versorger entweder Energie nachkaufen und mit Preisaufschlägen abrechnen oder die nicht verbrauchten Mengen mit Strafzahlungen belegen.
Bandlieferung (horizontale Tranchen)
Die Bandlieferung, auch horizontale Tranchen genannt, ist eine Sonderform der Fahrplanlieferung und eignet sich zur Deckung des Grund- bzw. Mindestbedarfs. Bei diesem Modell wird die Energie unabhängig vom tatsächlichen Bedarf in einer konstanten Menge über die gesamte Vertragslaufzeit geliefert. Das bedeutet, dass zu jeder Stunde des Lieferzeitraums die gleiche Energiemenge bereitgestellt wird.
Ein weiterer Unterschied zur Fahrplanlieferung ist, dass die Lieferzeiträume länger sind. Das kleinste Bandprodukt ist das Monatsband, es gibt aber auch Jahres-, Saison-, Quartalsbänder. Die verschiedenen Produkte können beliebig miteinander kombiniert werden. Dieses Modell bietet Planungssicherheit und deckt den Grundbedarf, daher kann es gut durch das Tranchen-Modell ergänzt werden.
Das vertikale Tranchen-Modell
Beim Tranchen-Modell oder auch Tranchenkauf wird der gesamte Beschaffungszeitraum für Strom und Gas, z. B. ein oder zwei Jahre, in unterschiedliche Zeitabschnitte (Tranchen) unterteilt. Eine Tranche kann, wie bei der Bandlieferung, ein Monat, ein Quartal, eine Saison oder ein Jahr sein. Für jede Tranche wird die Energie separat zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingekauft.
Diese Art des Energieeinkaufs macht ein Unternehmen einerseits flexibel, da bei saisonalen Bedarfsschwankungen gezielt mehr oder weniger Energie eingekauft werden kann. Durch die frei wähl- und kombinierbaren Energiemengen und die Streuung der Beschaffungszeitpunkte kann ein Unternehmen Lastschwankungen individuell berücksichtigen und den Einkaufspreis steuern und damit sein Preisrisiko deutlich reduzieren.
So kann es auf kurzfristige Marktveränderungen reagieren und den idealen Zeitpunkt für den Kauf einer bestimmten Energiemenge abpassen.
Andererseits sind die Energiekosten für den vorher definierten Beschaffungszeitraum (z. B. ein Jahr) nur grob kalkulierbar, da die einzelnen Tranchenpreise aufgrund vieler Einflüsse stark schwanken können. Erst im Nachhinein kann ein Mittelwert für den Zeitraum ermittelt werden.
Beim Tranchen-Modell können Unternehmen zwischen einer manuellen und einer automatischen Beschaffung wählen. Die manuelle Beschaffung eignet sich jedoch eher für größere Unternehmen, da ein Energieeinkäufer den Kaufzeitpunkt bestimmt und diese Dienstleistung meist erst ab einer bestimmten Abnahmemenge anbietet. Die automatisierte Methode erfolgt über festgelegte Rhythmen und Preislimits.
Kombination horizontaler und vertikaler Tranchen
Auch eine Kombination von Bandlieferung und vertikaler Tranche ist denkbar und durchaus üblich. Dabei wird die Grundlast über Bandlieferungen abgedeckt, während Lastspitzen über einzelne Tranchen zugekauft werden. Dies kann gleichzeitig oder zeitversetzt in Erwartung fallender Preise erfolgen.
Durch die Mischkalkulation der einzelnen Einkaufspreise kann so ein günstigerer Beschaffungspreis erzielt werden, als dies über eine reine Bandlieferung oder eine reine Tranchenlieferung realisierbar wäre. Insbesondere die zeitversetzte Beschaffung bietet die Aussicht auf günstige Preise für Lastspitzen, da die Energiebeschaffung für die Tranche zeitlich getrennt von der Bandbeschaffung erfolgen kann.
In diesem Bereich sind verschiedene “Spielarten” denkbar. So können z. B. automatisierte Tranchen zu festgelegten Preisgrenzen definiert werden. Diese Vorgehensweise reduziert den Personalaufwand bzw. die anfallenden Beratungskosten bei der Beauftragung externer Dienstleister.
Die Tranchenbeschaffung erfordert neben einer gewissen Abnahmemenge energiewirtschaftliches Know-how und entsprechende interne personelle Ressourcen oder als Beratungsleistung. Dies gilt insbesondere für die manuelle Tranchenbeschaffung.
Restmengen
Der größte Teil des prognostizierten Bedarfs kann durch die oben genannten Modelle gedeckt werden. Wenn der Bedarf jedoch nicht genau vorhergesagt werden kann, entsteht ein Restbedarf. Um diesen Bedarf zu decken, gibt es z. B. folgende Möglichkeit:
Mit der sogenannten Residual- oder Restmengenlieferung können offene Mengen kurzfristig über den Spotmarkt gedeckt und zu Spotmarktpreisen abgerechnet werden.
Das macht diese Restmengenbeschaffung zu einer guten Ergänzung zu den vertikalen Tranchen oder zur Fahrplanlieferung.
Toleranzmengen
Alternativ kann zur Begrenzung des Mengenänderungsrisikos eine Toleranzgrenze für die vertraglich festgelegte Liefermenge vereinbart werden.
Der tatsächliche Verbrauch wird innerhalb dieser Toleranzgrenze zum ausgehandelten Beschaffungspreis abgerechnet. Abweichungen nach oben oder unten werden je nach Vertragsvereinbarung teurer oder zum aktuellen Marktpreis abgerechnet.
Als Ergänzung zur Fahrplanbelieferung ist diese Regelung besonders geeignet, da es immer wieder zu Abweichungen zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Verbrauch kommt. Mit der Toleranzgrenze können somit kurzfristige Schwankungen des tatsächlichen Verbrauchs abgefangen werden.
Hier die Vor- und Nachteile der strukturierten Beschaffung im Überblick:
Vorteile
Das Preisrisiko wird durch die Streuung der Beschaffungszeitpunkte und die frei kombinierbare Energiemenge gemindert.
Kurz vor Beginn der Lieferperiode besteht Planungssicherheit für die Kosten.
Energiemengen können flexibel je nach Bedarf und Zeitpunkt gekauft werden.
Modelle der strukturierten Beschaffung können vorteilhaft miteinander kombiniert werden.
Nachteile
Energiekosten sind nur kurzfristig kalkulierbar.
Der Energiebeschaffungsprozess wiederholt sich in kurzen Abständen und bindet Personal.
Ein ausgeprägtes energiewirtschaftliches Know-how sollte vorhanden sein.
Die manuelle Beschaffung ist meist erst bei einer bestimmten Abnahmemenge möglich.
Spotmarkt-Beschaffung
Der Spotmarkt ist der Ort, an dem Angebot und Nachfrage direkt aufeinandertreffen. Hier kaufen zugelassene Händler Energie für den aktuellen Bedarf, meist schon für den nächsten Tag.
Der Handel findet hauptsächlich auf zwei spezifischen Märkten statt, dem Day-Ahead-Markt und dem Intraday-Markt. Beide werden von EPEX Spot in Paris organisiert:
Am Day-Ahead-Markt wird Energie für jede Stunde des folgenden Tages gehandelt.
Am Intraday-Markt kann der tagesaktuelle Bedarf in noch kleineren Blöcken von 15 Minuten gehandelt werden. Aber auch größere Blöcke von einer oder mehreren Stunden sind möglich.
Im Dezember 2011 wurde der viertelstündliche Handel eingeführt, der seit 2018 auch an der EPEX Spot stattfindet.
Lesetipp: Mehr Informationen darüber, was der Spotmarkt ist und wie genau er funktioniert, finden Sie in unserem Beitrag zum Thema “Spotmarkt: Strom zu aktuellen Preisen”
Der Preis für die eingekaufte Energiemenge schwankt ständig, da er durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Aus diesem Grund stehen die gesamten Energiekosten für eine bestimmte Abrechnungsperiode eines Unternehmens erst am Ende der Abrechnungsperiode fest.
Durch die kurzfristige Energiebeschaffung kann ein Unternehmen die Chancen günstiger Preise nutzen, geht aber im Gegenzug auch das Risiko hoher Preissteigerungen ein.
Hier ein Überblick über die Vor- und Nachteile dieser Art des Energieeinkaufs:
Vorteile
Es kann sehr flexibel auf den Energiebedarf reagiert werden.
Günstige Börsenpreise können genutzt werden.
Nachteile
Es besteht keine Planungssicherheit.
Energiepreise stehen erst am Ende einer Abrechnungsperiode fest.
Portfoliomanagement: Für Großabnehmer und Experten
Das Portfoliomanagement umfasst in der Energiebeschaffung die Planung, Zusammenstellung und Verwaltung eines Portfolios bestehend aus Beschaffungs- und Abnahmeverträgen für Strom & Gas unter der Berücksichtigung von Marktrisiken und -chancen. Ziel ist es, durch gezielte Beschaffungsstrategien die Energiekosten zu optimieren und Risiken zu minimieren.
Diese Methode ist die komplexeste der fünf, da im Vergleich zur strukturierten Beschaffung im Prinzip alle physischen und finanziellen Produkte des Energiegroßhandels sowie die Eigenerzeugung eingesetzt werden können.
Daher wird diese Aufgabe meist von einem zugelassenen Börsenhändler (Portfoliomanager) übernommen, der Zugang zu Spot- und/ oder Terminmarkt hat. Dieser Energieeinkäufer hat folgende Aufgaben:
Marktanalyse und -beobachtung: Kontinuierliche Beobachtung der Energiemärkte und der rechtlichen Rahmenbedingungen.
Risikomanagement: Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Risikominimierung, zum Beispiel durch den Einsatz von Derivaten oder langfristigen Lieferverträgen.
Beschaffungsstrategien: Auswahl und Dokumentation der geeigneten Strategie(n) für das Portfolio, sowie den Ein- und Verkauf von Energiemarktprodukten.
Vertragsmanagement: Verhandlung, Abschluss, Verwaltung und Abrechnung von Energieverträgen.
Prognose und Planung: Erstellung von Lastprognosen und Fahrplänen zur optimalen Deckung des Energiebedarfs.
Das Portfoliomanagement eignet sich besonders für Unternehmen mit sehr hohem und variablem Energiebedarf, wie z. B.: Industrieunternehmen, Stadtwerke und Energieversorger, sowie Weiterverteiler und Großhändler.
Diese Energiebeschaffungs-Methode bietet folgende Vor- und Nachteile:
Vorteile
Große Auswahl an Energiemarktprodukten und Beschaffungszeitpunkten.
Auf die Nachfrageänderungen und Preisschwankungen kann flexibel reagiert werden.
Es können Preisvorteile realisiert werden.
Die Energiebeschaffung unterliegt einer transparenten Kostenstruktur.
Nachteile
Dies ist ein personalintensiver, kontinuierlicher Prozess.
Versorgungslücken müssen über den Spotmarkt gedeckt werden.
Die für die Beschaffung verantwortlichen Energieeinkäufer müssen über ein hohes Maß an Marktkenntnis verfügen.
Die finanzielle Stabilität des Unternehmens muss gegeben sein, um die kostenintensiven Energieeinkäufe sukzessive realisieren zu können.
Fazit zur Energiebeschaffung
Mit dem richtigen Beschaffungsmodell bzw. Beschaffungsmodellmix können Unternehmen unabhängig von geopolitischen Rahmenbedingungen beim Energieeinkauf viel Geld sparen. Die Vorteile können sich aber auch in Nachteile umkehren, wenn unzureichende Marktkenntnisse vorhanden sind oder zukünftige Entwicklungen falsch eingeschätzt werden.
Den möglichen Einsparungen bei den Energiekosten stehen Personalkosten gegenüber. Diese steigen mit der Komplexität der Beschaffungsmodelle und müssen den Einsparpotenzialen gegenübergestellt werden.
Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sind gut beraten, wenn sie sich für eine Personalkosten schonende und risikoarme Energiebeschaffung entscheiden.
Über Philip Gutschke
Philip verantwortet als Bereichsleiter Energiebeschaffung die strategischen und operativen Einkaufsprozesse für die Mitglieder der Einkaufsgemeinschaft und vertritt deren Interessen beim BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft).
Er beschäftigt sich leidenschaftlich mit den aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen im Energiemarkt. In seiner Freizeit findet man ihn am, im oder auf dem Wasser.
Häufige Fragen
Was ist Energiebeschaffung?
Energiebeschaffung ist der Einkaufsprozess von Strom und Gas. Dazu gehören die Beobachtung der Preisentwicklung auf dem Energiemarkt, die Teilnahme an Ausschreibungen, die Auswahl der Lieferanten und die Vertragsverhandlungen. Ziel ist es, die Energie so günstig wie möglich einzukaufen, wobei es je nach Beschaffungszeitraum, -zeitpunkt und -menge erhebliche Preisunterschiede gibt.
Welche Methoden der Energiebeschaffung gibt es?
Es gibt fünf Methoden der Energiebeschaffung:
Vollversorgung: Gesamter Bedarf wird von einem Energielieferanten zu einem Festpreis gedeckt.
Energie-Einkaufsgemeinschaft: Bündelung des Energiebedarfs vieler Abnehmer, um Mengenrabatte zu erzielen.
Strukturierte Beschaffung: Nutzung verschiedener Preismodelle wie Fahrplan- und Bandlieferung sowie Tranchen-Modell.
Spotmarkt-Beschaffung: Einkauf von Energie für den tagesaktuellen Bedarf am Spotmarkt.
Portfoliomanagement: Erstellung und Verwaltung eines Portfolios zur Optimierung der Energiekosten und Minimierung der Risiken.
Welche Einkaufsstrategie eignet sich für KMU?
Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eignet sich die Vollversorgung (Fixpreis-Beschaffung) oder eine Energie-Einkaufsgemeinschaft am besten. Diese Methode bietet maximale Planungs- und Budgetsicherheit, da die Energie zu einem vertraglich fixierten Preis bezogen wird und der Energieversorger das Mengenrisiko trägt. KMU profitieren von der langfristigen Preissicherheit und geringen personellen Aufwänden, da Verträge meist für ein bis drei Jahre abgeschlossen werden.
Für wen eignet sich Portfoliomanagement?
Portfoliomanagement eignet sich besonders für Unternehmen mit sehr hohem und variablem Energiebedarf. Dazu zählen Industrieunternehmen, Stadtwerke, Energieversorger sowie Weiterverteiler und Großhändler. Diese Methode erfordert detaillierte Marktkenntnisse und eine kontinuierliche Marktbeobachtung, bietet aber eine hohe Flexibilität und die Möglichkeit, durch gezielte Beschaffungsstrategien die Energiekosten zu optimieren und Risiken zu minimieren.
Was ist eine Energie-Einkaufsgemeinschaft?
Eine Energie-Einkaufsgemeinschaft bündelt den Energiebedarf ihrer Mitglieder. Dadurch können diese gemeinsam als Großabnehmer auftreten und Mengenrabatte erzielen. Erfahrene Mitarbeiter der Einkaufsgemeinschaft übernehmen den Energieeinkauf, nutzen Mengenbündelung, Ausschreibungen und Marktbeobachtung, um zum idealen Zeitpunkt Energieverträge mit optimalen Laufzeiten abzuschließen und schaffen so Planungs- und Versorgungssicherheit für die Mitglieder.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um Strom oder Gas zu beschaffen?
Der richtige Zeitpunkt für den Einkauf von Strom oder Gas hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der gewählten Beschaffungsmethode und der allgemeinen Marktsituation, die u. a. von wirtschaftlichen und geopolitischen Entwicklungen beeinflusst wird. Langfristige Verträge sind bei erwarteten Preissteigerungen sinnvoll, kurzfristige Verträge bei sinkenden Preisen. Eine kontinuierliche Marktbeobachtung und detaillierte Kenntnisse über die Energiemärkte sind entscheidend.