Dynamischer Stromtarif: Ersparnis oder Risiko?
Philip Gutschke · zuletzt aktualisiert: 28. Januar 2025
Seit Januar 2025 besteht für Stromanbieter in Deutschland die Pflicht, mindestens einen dynamischen Stromtarif anzubieten. Wir zeigen auf, wie dynamische Strompreise funktionieren, unter welchen Voraussetzungen sie sich lohnen und ob auch KMU davon profitieren können.
Kurz und knapp
Bei einem dynamischen Stromtarif schwankt der Arbeitspreis entsprechend der aktuellen Beschaffungskosten an der Strombörse. Die Preise können daher enorm variieren.
Dynamische Stromtarife setzen die Nutzung eines intelligenten Messsystems (Smart Meter) voraus. Nur so können die aktuellen Zählerstände korrekt übermittelt werden.
Plötzliche Preissteigerungen an der Börse können vor allem für kleine und mittlere Unternehmen ein Risiko sein, die ihren Stromverbrauch nicht flexibel steuern können.
Was ist ein dynamischer Stromtarif?
Dynamische Stromtarife sind eine Variante von variablen Stromtarifen. Bei einem dynamischen Stromtarif wird der aktuelle Preis pro Kilowattstunde (kWh) an der Strombörse an die Kunden weitergegeben. Verbraucher zahlen somit für ihren Strom den Arbeitspreis, den der Strom zum Zeitpunkt des Verbrauches kostet.
Die Strombörse
Der Preis für dynamische Stromtarife ist an den Day-Ahead-Markt gekoppelt, der eine Unterform des Spotmarktes für Strom ist. Stündlich (ab März 2025 sogar viertelstündlich) werden am Day-Ahead-Markt die Preise für den Strom gehandelt, der am folgenden Tag geliefert wird. Dabei fließen verschiedene Aspekte in die Bildung des Preises ein.
Erfahren Sie über den Spotmarkt für Strom in unserem Ratgeber
Wie funktioniert ein dynamischer Stromtarif?
Der Strompreis besteht grundsätzlich aus dem Arbeits- und Grundpreis. Der dynamische Bestandteil des Strompreises sind die Beschaffungskosten an der Börse – diese sind Teil des Arbeitspreises. Verändern sich also die Beschaffungskosten an der Börse, steigt oder sinkt entsprechend der Arbeitspreis. Weitere Bestandteile des Arbeitspreises sind die Netzentgelte, Steuern und Umlagen.
Zusätzlich zum Arbeitspreis ist bei jedem Tarif auch eine Grundgebühr (Grundpreis) zu bezahlen. So ergeben Arbeitspreis und Grundgebühr zusammen die tatsächlichen Stromkosten.
Mehr Informationen zur aktuellen Strompreis-Zusammensetzung lesen Sie hier
Wodurch steigen oder sinken die Preise?
Der Preis pro Kilowattstunde ist von verschiedenen Faktoren abhängig, wie:
Nachfrage von Strom am Markt
Verfügbarkeit erneuerbarer Energien im Netz
aktuelle Belastung des Stromnetzes
Grundsätzlich gilt: Ist die Nachfrage gering beziehungsweise das Angebot an Strom groß, sinkt der Preis pro kWh. Steigt die Nachfrage, etwa wenn in den Haushalten und Büros morgens der Kaffee gekocht wird, steigt auch der Preis. Gerade in den Morgenstunden ist zusätzlich noch keine Energie aus Sonnen- oder Windkraft im Netz.
Wie wird ein dynamischer Stromtarif abgerechnet?
Für die Abrechnung eines dynamischen Tarifs übermittelt ein Smart Meter alle 15 Minuten den aktuellen Zählerstand an den Messstellenbetreiber. Die Verbraucher haben Anspruch auf eine monatliche Abrechnungsinformation. Dies bedeutet, dass mit jedem Monat der tatsächliche Verbrauch bereits exakt abgerechnet und bezahlt wird.
Gut zu wissen: Durch die monatliche Abrechnungsinformation bei dynamischen Stromtarifen entfällt die Jahresabrechnung, die bei fixen Stromtarifen üblich ist. Eine Jahresabrechnung kann je nach tatsächlichem Verbrauch und Strompreis mögliche Rück- oder Nachzahlungen enthalten. Bei einem dynamischen Tarif entfällt diese Besonderheit.
Gesetzeslage in Deutschland zu dynamischen Tarifen
Seit 1. Januar 2025 sind Stromanbieter in Deutschland dazu verpflichtet, mindestens einen dynamischen Stromtarif anzubieten. Damit möchte der Gesetzgeber auf aktuelle Entwicklungen am Strommarkt reagieren. Geopolitische Ereignisse, Verknappungen, Überschüsse oder auch Dunkelflauten bei Sonnen- und Windenergie ließen die Strompreise sowie die Netzauslastung in den vergangenen Jahren stark variieren.
Voraussetzungen für einen dynamischen Stromtarif
Um einen dynamischen Tarif nutzen zu können, wird ein intelligentes Messsystem (Smart Meter) vorausgesetzt. Seit dem 26. Mai 2023 ist das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende in Kraft, welches vorsieht, dass bis Ende des Jahres 2032 der Großteil der Verbraucher in Deutschland mit einem Smart Meter ausgestattet sein soll. Bislang ist dieses Smart-Meter-Rollout noch zögerlich vorangeschritten.
Wer einen dynamischen Stromtarif möchte, hat jedoch seit Januar 2025 Anspruch darauf, dass innerhalb von 4 Monaten ein intelligentes Messsystem vom zuständigen oder vom wettbewerblichen Messstellenbetreiber installiert wird. Die jährlichen Kosten für die Smart Meter sind seit 2025 außerdem gedeckelt; so soll verhindert werden, dass die Kosten dem Rollout der Smart Meter im Weg stehen.
Gut zu wissen: wattline leistet als wettbewerblicher Messstellenbetreiber einen Beitrag, den bundesweiten Smart-Meter-Rollout voranzutreiben.
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Chancen durch dynamische Stromtarife
Dynamische Stromtarife sind noch relativ jung auf dem Markt, weshalb die genauen Entwicklungen erst noch beobachtet werden müssen. Durch diese Tarife versprechen sich sowohl der Gesetzgeber, Netzbetreiber sowie Verbraucher verschiedene Vorteile:
Mögliche Kostenersparnisse
Sind energieintensive Stromverbraucher im Einsatz, deren Nutzung flexibel in die günstigen Zeiträume verlagert werden kann, können mit einem dynamischen Tarif Kosten gespart werden.
Einblick in den Energiemarkt
Was wirkt sich wie auf die Preise am Energiemarkt aus? Durch Informationen zum Day-Ahead-Markt, z. B. über eine App, können Verbraucher den Strommarkt besser nachvollziehen.
Optimierung der Netzauslastung
Durch angepasstes Verbrauchsverhalten wird die Netzauslastung optimiert, da sich die Stromnutzung in Zeiten mit hoher Energieverfügbarkeit verschiebt.
Förderung der Energiewende
Strom ist oft gerade dann günstig, wenn viel Sonnen- und Windenergie in das Netz eingespeist wird. Die Nutzung dieser Energieträger fördert den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien.
Monatliche Abrechnung
Durch die monatliche Abrechnungsweise entstehen keine Abschläge. Dadurch kommt es auch im Falle einer Insolvenz des Stromanbieters nicht zu Problemen durch offene Rück- oder Nachzahlungen.
Kurze Vertragslaufzeiten
Kunden, die besonders flexibel auf aktuelle Marktentwicklungen reagieren wollen, können von den kurzen, meist 1-monatigen Vertragslaufzeiten profitieren.
Gut zu wissen: Auch wenn der Preis pro Kilowattstunde im Day-Ahead-Handel sehr günstig ausfallen kann, wird der auf Termin gelieferte Strom in der Regel noch günstiger gehandelt. Von diesen sogenannten Großhandelspreisen profitieren in erster Linie größere Industriebetriebe. Durch den Zusammenschluss zu Einkaufsgemeinschaften können solche günstigen Preise auch für KMU erreicht werden.
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Welche Risiken bringen dynamische Stromtarife mit sich?
Die Preise an der Strombörse können aus verschiedenen Gründen plötzlich in die Höhe schnellen. Die fehlende Planungs- und Budgetsicherheit sind Risiken, die Kunden von dynamischen Stromtarifen bereit sein müssen, einzugehen. Im Krisenfall, wie unvorhergesehenen geopolitischen Entwicklungen oder langandauernden Dunkelflauten, muss abgewogen werden, ob man diesen aussitzt oder in einen festen Tarif wechselt.
Das sogenannte Beschaffungsrisiko liegt zwar beim Stromanbieter, wird jedoch von diesem bei einem dynamischen Tarif direkt an die Verbraucher weitergegeben. Plötzliche Preisexplosionen sind somit zur Gänze von den Kunden zu tragen, vor allem, solange es bei dynamischen Stromtarifen keine gesetzliche Preisdeckelung gibt.
Strombörsen-Entwicklungen in der Vergangenheit
Die Preise an der Strombörse waren in der Vergangenheit immer wieder starken Schwankungen unterworfen. So hatte ein technischer Fehler bei der Pariser Strombörse EPEX SPOT am 26. Juni 2024 zwischen 5 und 8 Uhr morgens einen Anstieg des Strompreises auf bis zu 233 ct/kWh zur Folge.
Am 6. November 2024 zwischen 17:00 und 18:00 Uhr stiegen die Strompreise in Deutschland aufgrund einer Dunkelflaute auf immerhin 120 ct/kWh. Sogenannte Dunkelflauten entstehen, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint, wodurch keine erneuerbaren Energien in das Netz eingespeist werden können. Kunden von dynamischen Stromtarifen, die in diesem Zeitraum Strom nutzten, mussten diese Entwicklungen entsprechend bezahlen.
Der Preis an der Börse kann bei einem Überschuss an Energie im Netz aber auch in den negativen Bereich, also unter 0 ct/kWh, fallen. In diesem Fall bekommt der Verbraucher theoretisch Geld für den Stromverbrauch in diesem Zeitraum. Da die weiteren Preisbestandteile des Arbeitspreises sowie die Grundgebühr weiterhin zu zahlen sind, wird Strom dadurch allerdings nie kostenlos.
Wann lohnt sich ein dynamischer Stromtarif?
Gerade kleine und mittelständische Unternehmen müssen den Kosten-Nutzen-Faktor von dynamischen Strompreisen genau abwägen. Die folgenden Fragestellungen sollen KMU dabei helfen, abzuschätzen, ob sich ein dynamischer Stromtarif finanziell lohnt, welche Anpassungen notwendig wären und ob die Risiken und der Aufwand die potenziellen Vorteile überwiegen.
Voraussetzungen
Ist ein Smart Meter (intelligenter Stromzähler) installiert oder kann dieser einfach nachgerüstet werden?
Verfügen Sie über ein Energiemanagementsystem oder Tools, um den Stromverbrauch und Preise zu überwachen?
Sind Sie an einen bestehenden Stromvertrag gebunden? Wenn ja, wie hoch wären die Wechselkosten?
Lastprofil des Unternehmens
Haben Sie ein hohes Stromverbrauchsaufkommen während der Tages- und Wochenzeiten, in denen Strompreise schwanken?
Können Sie Ihren Stromverbrauch flexibel anpassen (z. B. Maschinenlaufzeiten, Klimaanlagen, Beleuchtung)?
Potenzielle Einsparungen
Können durch Verbrauchsverlagerung reale Einsparungen erzielt werden?
Welche Verbrauchsanteile lassen sich in günstigere Zeiträume verschieben?
Risiken steigender Preise
Wie hoch sind die Spitzenpreise, und wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diese bezahlen müssen?
Können Sie finanzielle Schwankungen durch enorme Preisanstiege verkraften?
Ist der potenzielle Nutzen dynamischer Tarife größer als der Aufwand für Anpassungen und das Risiko hoher Preise?
Flexibilität und Betriebsabläufe
Können Arbeitszeiten, Maschinenlaufzeiten oder Produktionsprozesse flexibel angepasst werden?
Ist eine kurzfristige Anpassung des Verbrauchs mit Ihren Betriebsabläufen vereinbar?
Werden Tools oder Beratungsservices angeboten, die Ihnen helfen, Einsparungen zu maximieren?
Lohnt sich der Einsatz von Energiespeichern (Batterien, Wärmespeicher), um günstigen Strom zwischenzuspeichern?
Energiekosten-Check
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Grundsätzlich gilt: Dynamische Stromtarife sind nicht geeignet für Verbraucher oder Unternehmen, die ihren Stromverbrauch nicht flexibel in die Zeiträume verlagern können, in denen der Preis günstig ist. Diese günstigen Zeiträume können nur bedingt vorhergesagt werden, etwa durch Prognosen für Schönwetter oder starken Wind am nächsten Tag.
Die Zukunft von dynamischen Stromtarifen
Dynamische Stromtarife bieten die Chance auf mehr Marktteilnahme und einer Flexibilisierung des Stromverbrauchs. Zum jetzigen Zeitpunkt interessant sind diese Tarife in erster Linie für Verbraucher und Unternehmen, die ihre Stromnutzung gezielt steuern können. Im Idealfall können Preisspitzen auch durch selbst erzeugten Strom, z. B. durch eigene PV-Anlagen, überbrückt werden.
Über Philip Gutschke
Philip verantwortet als Bereichsleiter Energiebeschaffung die strategischen und operativen Einkaufsprozesse für die Mitglieder der Einkaufsgemeinschaft und vertritt deren Interessen beim BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft).
Er beschäftigt sich leidenschaftlich mit den aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen im Energiemarkt. In seiner Freizeit findet man ihn am, im oder auf dem Wasser.

Häufige Fragen
Wann macht ein dynamischer Stromtarif Sinn?
Ein dynamischer Stromtarif kann dann sinnvoll sein, wenn die Stromnutzung für energieintensive Verbrauchseinrichtungen (z. B. Wärmepumpen oder Ladestationen für E-Fahrzeuge) in besonders günstige Zeiten gelegt werden kann.
Welche Anbieter haben einen dynamischen Stromtarif?
Seit 2025 muss jeder Stromanbieter in Deutschland mindestens einen dynamischen Stromtarif anbieten. Geregelt ist das in § 41a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG).
Wie setzt sich der dynamische Strompreis zusammen?
Bei einem dynamischen Stromtarif setzt sich der Preis, wie beim fixen Tarif, aus einem Arbeits- und einem Grundpreis zusammen. Der dynamische Preisbestandteil sind die Beschaffungskosten der Energie, welche zum Arbeitspreises gehören. Dazu kommen noch Steuern, Umlagen, Netzentgelte sowie die Grundgebühr.
Was braucht man für einen dynamischen Stromtarif?
Um einen dynamischen Stromtarif nutzen zu können, ist ein intelligentes Messsystem, also ein Smart Meter, notwendig. Dieses übermittelt viertelstündlich den aktuellen Zählerstand an den Messstellenbetreiber.